Lieber [Name],
Du verschwendest derzeit mindestens 400.000 € im Jahr. Durch den Zinseszins ist das auf Dein Leben betrachtet ein Schaden im zweistelligen Millionenbereich. Und das ist nur der finanzielle Teil.
Wenn das nicht stimmt, hast Du in den letzten Monaten viel verändert und bist der bemerkenswerteste [Alter]-Jährige, den ich kenne. Mit anderen Worten: Dass Du Dein volles Potential nicht erkennst, ist normal. Dass Du Deine Zeit nicht optimal nutzt, ist auch normal. Und normal ist nicht bemerkenswert.
In Deiner Situation ist eine Stunde mindestens 200 € wert. Das sind Opportunitätskosten. Für die meisten Studenten sind 50 € angemessen, aber Du hast einmalige Chancen. Wenn Du Deine Zeit nicht optimal nutzt, ist der Schaden größer als bei anderen.
Merkst Du, wie krass diese Sichtweise Deiner eigenen Opportunitätskosten im Gegensatz dazu steht, Dich mit Deinen Peers zu vergleichen? Es braucht nicht viel, um bei den größten Fischen im Teich post-pubertärer [Stadt] Jungs mitzuschwimmen. Selbst bei einem Vergleich mit allen Studenten weltweit schneidest Du im Gesamtbild gut ab. Aber wie sieht ein Vergleich mit dem [Name| aus, der sein volles Potential kennt und das Beste daraus macht?
Überleg Dir, womit Du Deine Zeit verbringst. Im besten Fall investierst Du bereits viel Zeit in Dinge, die Dir wichtig sind und die Du nicht ändern möchtest. Zeit mit der Familie, mit Freunden, Sport…
Dann gibt es Dinge, bei denen Dir klar ist, dass Du damit aufhören solltest. Ich weiß nicht, welche das sind. Aber wenn Du Dir sicher bist, dann hör einfach damit auf – ohne Dich zu fragen, wie Du das wissen kannst.
Ein offensichtliches Beispiel: Rauchen kostet Dich mindestens drei Stunden am Tag. Wenn es richtig gut läuft, hast Du noch 70 Jahre. Rauchen nimmt Dir im Schnitt sieben davon, das sind zehn Prozent (also pro Tag 2,5 Stunden plus die Zeit für’s Rauchen). Aus rein finanzieller Sicht sind es sogar die teuersten Jahre, denn je mehr Du hast, desto größer sind die Zinsen. Wäre Warren Buffett vor sieben Jahren gestorben, hätte er 46 Mrd. Dollar gehabt. Heute sind es 108 Mrd. Rauchen hätte ihn 62 Mrd. Dollar gekostet.
(Aus nicht-finanzieller Sicht ist es eine spannende Frage, ob die letzten sieben Jahre wertvoller sind als die nächsten. Ich denke, das hängt davon ab, wie gut Du Dein Leben bis dahin lebst. Wenn Du das Beste aus Deinen Möglichkeiten machst, sollte jedes Jahrzehnt besser sein als das vorherige. Ich habe nur wenige Menschen über 70 getroffen, bei denen das so war. Das heißt aber nicht, dass es nicht so sein kann. Ich freue mich jedenfalls sehr darauf, als Opa schöne Dinge mit meinen unzähligen Enkelkindern zu unternehmen und finde die Vorstellung sehr traurig, dass es ab einem gewissen Alter nur noch bergab gehen soll.)
Es gibt aber noch eine dritte Kategorie: Alles dazwischen. Vielleicht sind Saufeskapaden objektiv keine gute Nutzung Deiner Zeit, aber sie machen Spaß und Du möchtest sie nicht aufgeben. Das ist nicht einfach. Ich denke, es ist in Ordnung, mit der offensichtlichen Kategorie zu beginnen und Dich erst danach um die schwierigen Fragen zu kümmern.
Wenn Du das konsequent machst, dann gewinnst Du täglich viele Stunden. Du wirst sehen, wie unüblich das ist. Viele Menschen werden Dich sonderbar finden und Dich kritisieren. Es ist für sie unerträglich, wenn sich jemand nicht der Standard-Sichtweise “Ich hätte gerne mehr Zeit für X, habe ich aber leider nicht.” hingibt.
Die Skills, die Du benötigst, um Deine neuen Lücken optimal zu füllen, hast Du bereits in der ersten Klasse gelernt: Lesen und Schreiben.
Es ist vermessen zu denken, dass die eigenen Probleme und Herausforderungen so speziell sind, dass sie in den letzten 2.000 Jahren niemand optimal durchdacht hätte. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass jemand die Lösung aufgeschrieben hat und Du sie innerhalb von 24 Stunden an die Haustür geliefert bekommst. Das gilt insbesondere für die großen Fragen.
Während des Studiums solltest Du alles darauf optimieren, zu lernen. Es gibt keinen besseren Weg zu lernen, als Bücher zu lesen. Wenn Du das richtig machst, ist das harte Arbeit. Mindestens drei Stunden am Tag, besser fünf. Jeden Tag. Beim Lesen die wichtigen Stellen markieren und anschließend in eigenen Worten schriftlich zusammenfassen.
Auf diese Weise kannst Du mit “12 Rules For Life” von Jordan Peterson weit über 100 Stunden verbringen. Wenn Du danach mehr über Psychologie lernen möchtest, dann sind es nochmal 100 Stunden mit “Poor Charlie’s Almanack”. Wenn Dich Geld interessiert, bietet Warren Buffet Dir Stoff für mindestens 500 Stunden. Wenn Du Startups interessant findest, erfährst Du von Paul Graham alles Wichtige. Bei drei Stunden am Tag und sieben Tagen die Woche schaffst Du das in zwei bis drei Semestern.
Stell Dir vor, der eine [Name] macht das konsequent über sein ganzes Studium, der andere nicht. Findest Du die 400.000 € im Jahr und den zweistelligen Millionenbetrag auf Dein Leben gerechnet (plus den nicht-finanziellen Wert, der wahrscheinlich größer ist) aus der Einleitung noch übertrieben?
Du hast Dir gewünscht, dass ich Dir mal richtig in den Arsch trete. Mit dieser Härte zu schreiben war mir nur deshalb möglich, weil ich diesen Brief an mein 19-jähriges Ich geschrieben habe. Heute, 9 Jahre später, ist mir klar, wie schnell wachsende Verantwortung durch Arbeit und in meinem Fall eine bevorstehende Familiengründung alles verändert und ich wünsche mir, ich hätte die Zeit ohne Verantwortung besser genutzt und mehr gelernt. Aber das ist meine Sache. Vielleicht ist das bei Dir ganz anders. Dann kannst Du viele meiner Punkte ignorieren und Dir einfach ein gutes Leben machen. Egal welchen Weg Du gehst - am Ende zählt nur, dass er für Dich funktioniert und wenn Du das schaffst, habe ich den größten Respekt dafür.
Du hast es selbst in der Hand. Du hast Zeit und alle Möglichkeiten der Welt. Du bist ambitioniert, intelligent und reflektiert, hast eine Familie, die Dich unterstützt, und kannst frei von finanziellen Nöten angreifen. Das ist etwas ganz Besonderes.
Mach was draus!