Boris Herrmann ist alleine um die Welt gesegelt. Er ist damit weder der Erste noch der Schnellste, aber er hat seine Reise eindrucksvoll festgehalten. Seine Learnings gelten auch für das Leben an Land.
Die Vendée Globe findet seit 1992 alle vier Jahre statt. Sie gilt als härteste Einhandregatta der Welt. Die Regatta 2020/21 war die erste mit deutscher Beteiligung durch Boris Herrmann und Isabelle Joschke. Seine Erlebnisse hat Boris Herrmann in einem Buch festgehalten. Hier erklärt er, wie es dazu gekommen ist:
Zwei Jahrzehnte lang hat mich der Mythos der Vendée Globe vorangetrieben. Nun weiß ich: Wenn du an deinen Lebenstraum glaubst und ihn einfach immer weiterverfolgst, dann kann er Wirklichkeit werden! Schon als Schüler hatten mich Bücher über die Helden der Vendée Globe gepackt, als 27-Jähriger segelte ich 2008 das erste Mal um die Welt. Hochseesegeln wurde mein Beruf, ich ließ mich als Navigator und Taktiker anheuern – und hielt zugleich an meinem Traum fest. […]
Mein Weg zur Vendée Globe hat mir gezeigt, wie viel sich erreichen lässt, wenn man etwas unbedingt will. […] Ich habe viel gelernt und erlebt – und bin trotzdem immer ein Seemann und Abenteurer geblieben, jemand, der als Junge an der Nordsee das Segeln lernte und dabei von dieser völlig irren, unbarmherzigen Vendée Globe träumte.
Während des Rennens habe ich ständig Sprachnachrichten an meinen Co-Autor Andreas Wolfers geschickt. Ich habe ihm detailliert erzählt, was ich da draußen erlebte und wie ich mich fühlte, an guten wie an schlechten Tagen. Andreas hat alles gesichtet und ausgewählt, er hat gestrafft, zusätzliche Hintergrundinformationen recherchiert und das Ganze zur Geschichte meiner Vendée Globe gefügt.
Dieses Buch ist eine Einladung: zu mir an Bord zu kommen und noch einmal dieses Rennen um die Welt in achtzig Tagen zu erleben, mit all meinen Eindrücken und Emotionen. Und es ist, so hoffe ich, auch eine Inspiration: dass es sich lohnt, alles zu versuchen, um einen Lebenstraum zu verwirklichen. Die Hürden sind hoch, die Risiken zahlreich. Aber das größte Risiko wäre, es nicht zu versuchen.
Selbst wenn bei der Vendée Globe alles gut geht, ist das keine angenehme Reise. Man segelt wochenlang alleine in einer Blechbüchse durch den Sturm, ohne länger als eine Stunde am Stück zu schlafen. Es ist kalt und laut.
Natürlich geht nie alles gut. Einmal musste er zum Beispiel in den Mast klettern - der ist 30 Meter hoch. Kurz vor dem Ziel ist er sogar noch mit einem Fischerboot zusammengestoßen. Aber eine Aktion sticht hervor:
Einer der Teilnehmer, Kevin Escoffier, hatte einen Unfall und trieb bei 5 Meter hohen Wellen in seiner Rettungsinsel - ohne GPS. Boris Herrmann und weitere Segler, die in der Nähe waren, mussten das Rennen unterbrechen und ihn auf Sicht im Dunklen suchen. Hier ist die Story aus der Sicht von Escoffier. Herrmanns Sicht, die er in seinem Buch beschreibt, ist noch deutlich eindrucksvoller. Sie zeigt die Verzweiflung, mit der er versucht, in der Nacht mit bloßem Auge die Rettungsinsel in den Wellen zu finden.
Mir wird schon auf längeren Autofahrten schlecht. Manchmal bin ich genervt, wenn ich Hunger habe. Ich wusste natürlich schon vorher, dass das Luxusprobleme sind, aber das Buch hat mir gezeigt, wie sehr ich innerhalb meiner Komfortzone lebe.
Es gibt viele gute Bücher über Sportler. Mein Favorit ist Open von Andre Agassi. Allerdings habe ich bisher noch nie gehört, dass ein Profisportler erst sein eigenes Team gründen muss, um bei dem führenden internationalen Turnier seiner Sportart teilnehmen zu können. Das ist als hätte Michael Schumacher den Benetton Rennstall gründen müssen, um in der Formel 1 zu fahren.
Boris Herrmann hat Jahre gebraucht, um die Ressourcen für den Start bei der Vendée Globe aufzubauen. Er musste ein eigenes Team gründen, Sponsoren überzeugen und ein wettbewerbsfähiges Boot beschaffen, bevor er überhaupt mit seinem eigentlichen Job, dem Segeln, beginnen konnte. Das ist nicht nur die Geschichte eines Sportlers, sondern die eines Unternehmers.
Neben dem Profisport das eigene Team wie ein Unternehmen aufzubauen ist sicherlich nicht einfach. Aber es hat einen entscheidenen Vorteil gegenüber dem klassischen Weg: Gestaltungsfreiheit. Man ist von Anfang an dabei und hat die Dinge selbst in der Hand. Zufriedenheit entsteht durch Momentum und Fortschritt - nicht durch die absolute Flughöhe. Die Vendée Globe wird mittlerweile von mehr Menschen verfolgt als die Tour de France. Zum ersten Mal hat es ein Segler auf die Nr. 1 der Sport-News in Deutschland geschafft. Von Anfang an Teil dieser Bewegung zu sein, stelle ich mir deutlich befriedigender vor, als bei einem etablierten Team daran zu arbeiten, das hohe Niveau zu halten.
Autobiographische Geschichten werden im Rückblick erzählt. Und der ist gefiltert. Dieses Buch ist anders entstanden: Boris Herrmann hat an jedem Tag seiner Reise Sprachnachrichten an seinen Co-Autor geschickt und alle Eindrücke im Detail beschrieben. Ich bilde mir ein, den Unterschied zu bemerken und nehme mir vor, meine Eindrücke intensiver Situationen in Zukunft auch live festzuhalten.